Wechselzeit im Radsport: Red Bull-Bora-hansgrohe – das Warten auf den neuen Star

Wechselzeit im Radsport: Red Bull-Bora-hansgrohe – das Warten auf den neuen Star

Stand: 18.10.2024 10:40 Uhr

Mit Red Bull im Rücken will das deutsche Radteam Bora-hansgrohe ganz groß angreifen. Einige personelle Wechsel stehen fest – aber der große Wurf ist noch nicht in Sicht.

Olaf Jansen

Remco Evenepoel wird es nicht. Wochenlang war spekuliert worden, dass es der belgische Doppel-Olympiasieger sein würde, den Bora-hansgrohe mit der Unterstützung des neuen Partners Red Bull ins Team holen würde. Aber der 24-jährige Überflieger verkündete vor wenigen Tagen kurz und knapp: “Kein Wechsel. Ich bleibe bei Soudal Quick Step.”

Damit wird es also vorerst nichts mit der Verpflichtung eines Superstars für das finanziell aufgemotzte deutsche Team. Was durchaus überraschend ist, denn die wichtigsten Personalien werden im Radsport normalerweise spätestens im Laufe der Tour de France oder kurz danach abgewickelt. Ab 1. August dürfen Transfers im Radsport öffentlich bekannt gemacht werden. Und bislang stehen beim deutschen Vorzeige-Rennstall eher namhafte Abgänge denn Neuverpflichtungen auf der Liste.

Namhafte deutsche Abgänge

Emanuel Buchmann (Cofidis), Lennard Kämna (Lidl-Trek) und Maximilian Schachmann (Soudal – Qick Step) verlassen das Team – damit gehen die drei namhaftesten deutschen Fahrer neue Wege. Mit dem Österreicher Marco Haller (Tudor Pro Cycling) und dem Luxemburger Bob Jungels (Ineos Grenadiers) verliert das Team von Chef Ralph Denk zwei weitere erfahrene Profis.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass der deutsche Faktor im Fahrerkreis kaum erwähnenswert aufgestockt wird. Infrage kommende Profis wie Nils Politt oder Pascal Ackermann haben schon eine Bora-Vergangenheit und dürften diese nicht unbedingt positiv in Erinnerung haben. Eine Rückkehr ist auszuschließen.

Ist Roglic über seinen Zenit hinweg?

Lange unwahrscheinlich war, dass das Team auch im nächsten Jahr mit Primoz Roglic an der Spitze in die Tour de France gehen wird. Der Slowene ist schon 35 und schien angesichts seiner Chancenlosigkeit gegenüber Fahrern wie Tadej Pogacar oder Jonas Vingegaard so langsam aber sicher seinen Leistungszenit überschritten zu haben. Zahlreiche Stürze und Verletzungen hatten in der jüngeren Vergangenheit zusätzlich an seiner Physis gezerrt.

Primoz Roglic feiert seinen Sieg bei der Vuelta a Espana

Allerdings: Mit seinem Gesamtsieg bei der Vuelta schürte Roglic neue Hoffnungen. “Wenn man eine dreiwöchige Landesrundfahrt gewinnt, kann man, glaube ich, noch nicht davon sprechen, dass jemand über seinen Zenit hinaus ist“, freute sich Teamchef Ralph Denk. “Wenn man mit Primoz spricht, dann ist da immer noch ein Leuchten in den Augen“, sagte Denk dem Deutschlandfunk und kündigte einen erneuten Anlauf auf das Gelbe Trikot der Tour de France im nächsten Jahr an.

Lipowitz als Hoffnungsträger

Bleibt der Faktor Jugend. Und hier hat das Denk-Team tatsächlich eine ganze Menge vorzuweisen. Allen voran der deutsche Shootingstar Florian Lipowitz gibt Anlass zu größten Hoffnungen. Einst professionell im Biathlon unterwegs, wechselte der 24-Jährige die Sportart und stieg 2020 aufs Rad, auf dem er sich als talentierter Bergfahrer erwies. 2023 holte ihn Bora – seither geht es steil bergauf.

Als er Ende April 2024 die schwere Tour de Romandie auf Rang drei beendete, war klar: Da kommt einer. Ein Coronavirus bremste ihn zwischenzeitlich aus, aber bei der Vuelta im Herbst zeigte er als Edelhelfer von Gesamtsieger Roglic und mit einem eigenen siebten Platz im Gesamtklassement eindrucksvoll sein Potenzial.

Ralph Denk verfolgt schon lange das Ziel, einen eigenen Top-Rundfahrer aufzubauen – bislang gelang das nicht. Vielleicht ist Lipowitz ein nächster Versuch. Auch zur Philosophie von Red Bull gehört es ja, in hochtalentierte Youngster zu investieren – es würde passen.

Pithie und Fisher-Black – talentierte Klassikerfahrer

Dazu passt auch, dass das Team Laurence Pithie verpflichtet hat. Der 22-jährige Neuseeländer gilt als eines der größten Klassikertalente in der Szene. “Erst 22 Jahre und bereits den ersten WorldTour-Sieg, beeindruckende Premieren in San Remo, Roubaix und beim Giro, dazu aggressiv bei großen Klassikern wie Gent-Wevelgem gefahren”, kommentierte Denk auf der Website des Teams. “Laurence ist noch jung, aber sein Talent ist kein Geheimtipp mehr. Ich freue mich, dass er sich für unser Team entschieden hat und wir den nächsten Schritt in seiner Karriere gemeinsam nehmen werden.”

In dieses Muster fällt auch der neu verpflichtete Finn Fisher-Black. Der 22-Jährige stammt ebenso aus Neuseeland und wird als tempoharter Allrounder geschätzt. Denk charakterisiert: “Mit Finn konnten wir ein weiteres großes Talent für uns gewinnen, das in dieser Saison seinen Durchbruch hatte. Er gewinnt als Solist, setzt sich im Sprint kleiner Gruppen durch und ist tempohart in kürzeren Zeitfahren.”

Tratnik bringt Erfahrung

Ein bisschen gegen den Jugendtrend schwimmt man mit der Verpflichtung des erfahrenen Jan Tratnik. Der 34-jährige Slowene fuhr bei Jumbo-Visma schon gemeinsam mit Roglic und wird seinem Landsmann nun wieder an die Seite gestellt. “Talent braucht auch Erfahrung. Deshalb war es uns wichtig, neben den jungen Fahrern auch jemanden zu verpflichten, der schon einige Saisons im Peloton gefahren ist. Jan ist ein Musterbeispiel für einen Fahrer, der sowohl ein absoluter Teamplayer ist als auch den Hunger und die Kraft hat, eigene Erfolge zu erzielen“, so Denk über Tratnik.

Das Konzept scheint durchaus soweit zu passen – eines fehlt aber noch: die Verpflichtung eines ganz großen Namens. Vielleicht verzichten sie bei Red Bull Bora-hansgrohe ja aber auch ganz bewusst darauf.

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